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Stellungnahme der grünen Gemeinderatsfraktion zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans in Dossenheim

Auf der Sitzung am 28.3.23 hat der Gemeinderat mit großer Mehrheit die ersatzlose Herausnahme von ca. 85 % der üblicherweise als „Augustenbühl“ bezeichneten Bauerwartungsfläche im Norden von Dossenheim beschlossen, entsprechend der Vorlage von Gemeindeverwaltung und Nachbarschaftsverband.

Mandelblüten im Augustenbühl

Hier die Stellungnahme unserer Fraktion

Zunächst möchten wir an unsere grünen Standpunkte aus dem Programm zur Kommunalwahl 2019 erinnern: Unter der Überschrift „Natur & Mensch“ haben wir damals unter anderem gefordert, das Vogelschutzgebiet zu schützen, indem man „kein Baugebiet im direkt angrenzenden Augustenbühl“ ausweist. Weiter haben wir gefordert, für den lokalen Klimaschutz „Freiluftschneisen nach Schriesheim (…)“ zu erhalten.

Unter den Überschriften „Leben & Wohnen“ sowie „Zusammenhalt“ haben wir vorgeschlagen, eine „interkommunale Wohnungsbaugesellschaft“ einzurichten, um „flächenschonend bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen“. Zu einem vielfältigen Zuhause gehörten „wohnortnahe Pflege im Alter, alternative Wohnformen und endlich ein Mehrgenerationenhaus für Dossenheim“.

Schauen wir auf den Beschluss des Gemeinderats auf Antrag von Grünen und CDU von Ende 2019

Der Gemeinderat hat damals beschlossen, das Verfahren ruhen zu lassen, um (a) alternative Flächen zu prüfen und (b) die Bürger*innen zu beteiligen.

Wir haben aber gleichzeitig auch die Verwaltung beauftragt, die Bebaubarkeit auf gemeindeeigenen Flächen entlang der vorhandenen Infrastruktur zu prüfen, um wiederum preisgebundenen, sozialen und altersgerechten Wohnraum zu ermöglichen.

In den letzten Jahren hat die Verwaltung mit dem Nachbarschaftsverband zusammengearbeitet und weitgehende Prüfungen eingeleitet, umfassende Gutachten erstellt und die Bürger*innen in einer öffentlichen Veranstaltung und durch schriftliche Stellungnahmen beteiligt.

Nun die Ergebnisse der Gutachten und der Beteiligung, also der Sachstand bis heute:

Wir haben als grüne Fraktion im Laufe des FNP-Verfahrens viele inhaltliche Stellungnahmen abgegeben. Wir möchten an dieser Stelle vor allem auf jene vom 31. Januar dieses Jahres verweisen, nachdem die Gutachten vorlagen und der Beteiligungsprozess abgeschlossen war.

Wir haben darin zum Ausdruck gebracht, dass es in dieser Frage einen klaren Ziel-Konflikt gibt. Auf den Punkt gebracht:

Der Bedarf für Wohnungsbau ist da – die Flächen dafür sind es nicht.

Wir haben auch festgestellt, dass es eine klare Tendenz gibt. Die weitaus meisten sich beteiligenden Bürger*innen – genauso wie die Behörden – sprachen sich für eine Herausnahme des Augustenbühls aus. Die beteiligenden Bürger*innen sprachen sich aber genauso gegen die Hereinnahme jeder anderen Fläche aus – die Behörden sehen das dagegen anders und können sich eine Reservefläche im Westen vorstellen.

Nun liegt ein Beschlussvorschlag der Verwaltung vor, der in Zusammenarbeit mit dem Nachbarschaftsverband ausgearbeitet wurde.

Dieser stellt also bereits eine fachliche Abwägung der konfliktären Ziele des Naturschutzes und der Wohnbebauung dar. Er bedeutet, dass der bisherige Flächennutzungsplan – der im Augustenbühl eine Wohnbaufläche von knapp 10 ha (ohne Friedhofserweiterungsfläche) und im Entwurf von 2019 mehr als 11 ha (mit Friedhofserweiterungsfläche) vorgesehen hat – deutlich zurückgenommen wird. Trotz eines berechneten Wohnflächenbedarfs von ungefähr 13 ha weisen wir jetzt nur noch 1,6 ha aus.

Etwa 85 % der besagten Fläche werden also ersatzlos aus dem FNP herausgenommen. Diese Flächen können ökologisch weiterentwickelt und zum Beispiel im Projekt „Blühende Bergstraße“ auch öffentlich gefördert werden. Der Augustenbühl bleibt damit als Schutzraum vieler Arten und als Kaltluftschneise für Dossenheim weitgehend erhalten.

Etwa 15 % verbleiben andererseits im FNP und können in Zukunft überplant werden. Entscheidend dabei ist, dass der überwiegende Teil dieser Fläche im Eigentum der Gemeinde ist und deshalb auch für öffentliche Ziele wie den sozialen (das heißt bezahlbaren und inklusiven) Wohnungsbau zur Verfügung steht.

Wir möchten im Übrigen darauf hinweisen, dass der Flächennutzungsplan keine scharfen Grenzen mit der Genauigkeit von Flurstücken zieht. Ein möglicher Bebauungsplan kann und muss vielleicht sogar im Detail abweichen, um die Wertigkeit der einzelnen Flächen zu berücksichtigen.

Die Abwägung in unserer Fraktion war kontrovers – wir haben uns lange mit allen Argumenten und Anliegen beschäftigt.

Es handelt sich hier am Ende um unauflösbare Ziel-Konflikte, zwischen denen man einfach einen Kompromiss finden muss. Wir tun uns unheimlich schwer, hier eine konkrete Gewichtung vorzunehmen. Aber wir sind gewählt – es ist unsere Aufgabe, genau das zu tun.

Zum Thema „Natur & Mensch“ müssen wir zugeben, dass der Beschlussvorschlag noch keinen völligen Stopp des Flächenverbrauchs darstellt – er ist aber eine Vollbremsung mit kurzem Bremsweg! Nach mehreren Wellen der Expansion in fast alle Himmelrichtungen reden wir nur noch von punktueller Entwicklung. Wir priorisieren jetzt in Dossenheim den Arten- und Klimaschutz – ohne aber die anderen Ziele ganz aus den Augen zu verlieren.

Zum Thema „Leben & Wohnen“ sowie „Zusammenhalt“ ermöglichen wir die Entwicklung von Wohnprojekten unter der Regie der Gemeinde. Neben anderen Werkzeugen (wie zum Beispiel einem Leerstandskataster, einer Wohnungsvermittlung, von städtebaulichen Verträgen und als eher stumpfes Werkzeug auch von Bebauungsplänen) können wir in Zukunft durch eigene Projekte selbst direkten Einfluss auf die Wohnsituation in Dossenheim nehmen.

Diese Stellungnahme erklärt unser Abstimmungsverhalten als Fraktion.

Jede und jeder einzelne in der Fraktion hat dabei die Ziele und Argumente unterschiedlich gewichtet, je nach unseren persönlichen Erfahrungen und Werten. Aber dafür sind wir eine Gemeinschaft: um uns durchzuringen, um uns dabei zu unterstützen – auch um uns durchzusetzen, so weit es geht, und danach alles gemeinsam durchzustehen.

Die grüne Fraktion unterstützt den Kompromissvorschlag der Verwaltung (das heißt Anlage 1 der Vorlage 2023/049) und lehnt jeden Vorschlag ab, der weniger Fläche aus dem Flächennutzungsplan herausnimmt.

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